Bericht über Projektreise Liberia 2023

Hier der Mitgliederbrief Help-Liberia vom September 2023:

Hier der Bericht von Thomas Böhnel, Erster Vorsitzender des Vereins „Help Liberia-Kpon Ma e.V.“ (geschrieben im April 2023)

Neun Seiten! So lange war der „Kurz“-Bericht, den ich unmittelbar nach meiner Ankunft von der diesjährigen Liberia-Reise geschrieben hatte, um unseren Vorständen in Deutschland Entscheidungsgrundlagen zu geben für die Zukunft unserer Tätigkeit im Busch von Liberia.

So lange möchte ich diesen Bericht für Sie, liebe Freunde und Interessierte unserer Organisation, nicht fassen! Doch es waren extrem gefüllte sechs Wochen, in denen ich meinen „Urlaub“ verbracht habe.

Bin immer wieder stolz, so viel Freigepäck mitnehmen zu dürfen

Vor allem personell gab es viele Umstrukturierungen unter unseren insgesamt 19 einheimischen Helfern in den Clinicen. Dank großartiger Stipendien in den vergangenen Jahren war z. B. Garmai Flomo zur Krankenschwester ausgebildet worden. Nun untersucht sie unter Anleitung des erfahrenen Stephen Momo jeden Donnerstag die Patienten und könnte in der Zukunft die med. Leitung der Yarbayah-Clinic übernehmen, wie es die Regierung eigentlich fordert.

Garmai lernt „Screening“

Ihren Posten in der Registratur hat Arthur Kollie übernommen. Er wohnt nur wenige Meter neben dem Clinic-Gelände und kann wegen seiner Bein-Amputation nicht wie alle in der Landwirtschaft arbeiten. Doch ist er einer der gebildetsten Bürger der Gemeinde. Ihm zur Seite steht ein Schüler namens Samuel  Gbenawolou. Er hat derzeit noch nicht das Geld, weiter die Schule zu besuchen, so dass er einmal die Woche Arthur helfen kann.

Arthur registriert den kleinen Patienten auf dem Arm der Mutter

Diese unsere Helfer in der Yarbayah-Clinic brachten mich Anfang März so in Erstaunen, als ich an einem Werktag, an dem wir die Clinic nicht betreiben, diese besuchte: alle Mitarbeiter arbeiteten, meist dreck-verschmiert, an der Herstellung von Backsteinen für unsere neuen Gebäude!

Die Clinic-Mitarbeiter beim Herstellen von sogen. „dirt bricks“

Das ist einerseits beschämend, denn so sollten doch die Bürger der Gemeinden in einer kurzen Hau-Ruck-Aktion diese Arbeit tun. Doch weil sich dazu niemand ermüssigt fühlte, packten unsere med. Mitarbeiter einfach die Sache an! Dafür erhielt jeder einen Sack Reis für deren Familien.

Wohl wird die sogen. Palaver-Kitchen noch warten müssen, obwohl wir das Fundament dafür vom alten Hebammenhaus noch benutzen können. Doch ist die Dach-Neudeckung des alten Clinic-Gebäudes vorrangig. Hier haben die Termiten alles zerfressen! Und nur vor der Regenzeit im April können wir eine Woche lang das Haus unbedacht lassen.

Da steht viel Arbeit bevor!

Den sogen. Incinerator zum Verkokeln von med. Müll konnten wir aber fertig stellen.

Der nagelneue Müllverkokler

Die beiden Hebammen in Yarbayah, Fatu und Massah, aber auch unser toller Hausmeister Old-Man sind unter einem Stipendium für ihr Gehalt. Wer direktenKontakt und tieferen Einblick in das Leben der Menschen haben möchte, die tief im Busch von Liberia leben, kann gerne eine Patenschaft von Campbell oder Arthur übernehmen.                                                                                    

Finnah Campbell blödelt auch mal gern

Auch in der Mawah-Clinic konnten wir den Incinerator fertig stellen. Das Toilettenhäuschen für Patienten, Personal und Lagerraum ist fertig. Auch hier kaum mithilfe der Gemeinde, sondern dank der Clinic-Leiterin Victoria und dem Hausmeister Edwin, welche dafür ein Dankeschön in Form von 100.-US-Dollar erhielten.

Weil doch hier wegen der katastrophalen Situation der regierungseigenen Handii-Clinic in der Nähe die Pat.-Zahlen immer mehr steigen, hatte Victoria eine bestechende Idee:

die Registratur zum zweiten Untersuchungszimmer zu gestalten und die Triage als Büro umzubauen.Das wäre das Projekt für die nächsten Monate.

Die umzubauenden Clinic-Gebäude in Mawah

Was kaum jemand wusste: unser neuer junger Registrierer Luke Flomo ist der Sohn unserer verstorbenen Hebamme Marie. Sie hat Tausenden von Babys auf die Welt geholfen, bis sie vor Jahren an Bluthochdruck starb. Ihr Grab steht vor unserer Clinic und Luke wird es mit ihrem Namen beschriften.

Weil uns aufgefallen ist, dass die Durchfälle der Patienten an dieser Clinic immer mehr werden, entdeckten wir die katastrophale Trinkwasser-Situation in Mawah.

Drei von vier Handpumpen sind defekt. Und weil der eine Brunnen für die große Population zu wenig und weit ab liegt, holen die Bürger ihr Trinkwasser aus dem St-Paul-River oder einem zwei Kilometer entfernten Bach. Dort hat das Wasser rot-braune Farbe. Und das Flusswasser wurde von einer ghanaischen Goldsucher-Firma mit Chemikalien verseucht. Wir meldeten dies an die Regierung weiter.

Victoria, die in früheren Jahren in unserer Mawah-Clinic als Hebamme geholfen hatte, fungiert nun dank eines Stipendiums einer unserer Mitgliederinnen nicht nur als examinierte Krankenschwester, sondern auch als hervorragende Leiterin der Clinic! 

Wie bekannt, hat es das Land Liberia nach dem Bürgerkrieg immer noch nicht geschafft, Ärzte im Hinterland arbeiten zu lassen. Die wenigen studierten Mediziner im Land möchten alle möglichst in der Hauptstadt leben. So machen selbst im Bong Mines Hospital die meiste Zeit Krankenpfleger die gesamte med. Arbeit wie Aufnahme der Patienten, Stellung der Diagnose und Festlegung der Therapie.

Die Ärzte dagegen arbeiten sehr oft in Zusatzjobs wie z. B. Kakata, wo sie eher bezahlt werden als verspätet oder gar nicht von der Regierung. Das Gesundheitssystem ist so korrupt, dass eine funktionierende Versorgung so gut wie nicht existent ist! Und deshalb, liebe Unterstützer unserer Organisation, betreiben wir unsere Buschclinicen und brauchen Ihre Hilfe!

Gerne würden wir der Regierung die Fahrtkosten zur Verfügung stellen, die sie braucht, um das Impf-Team und die Anbieter der Geburtsverhütung allmonatlich in unsere Clinicen zu senden. Das kostet 40.-US-Dollar Benzin-Geld.

Das mobile Impf-Team vom Bong Mines Hospital

Was uns gefreut hat während meiner knapp zwei Monate in Liberia war die Nachricht, dass nun ein US-amerikanischer Neurologe eine Praxis am Stadtrand von Monrovia etablieren möchte. Dann will er zu den Patienten fahren,die im tiefen Busch leben und an Epilepsie leiden und ihnen das „neue“ gute Medikament Levetiracetam kostenfrei zukommen lassen.

Eine sehr kleine Einkommensquelle, vielleicht 30.-USD pro Monat, erhoffen wir uns aus dem Vermieten unseres vereins-eigenen Containers. Während der Ebola-Krise ins Land gebracht, benötigen wir ihn jetzt nicht mehr.

Weil uns in Deutschland immer wieder Bürger ansprechen, weshalb wir denn nicht auf die traditionelle Medizin aus dem afrikanischen Busch zurückgreifen, fragten wir die District Health Officer. Zu unserm Erstaunen berichtete sie, dass es eine solche Stelle schon längst gäbe!

Wir besuchten sie und waren sprachlos: Hochprofessionell werden da schon seit Jahren Heilkräuter aus West-Afrika auf ihre Wirksamkeit untersucht. Doch sind diese noch sehr teuer, wenige an der Zahl und seltsamerweise kaum aus Liberia.

Die homöopathischen Medikamente der liberianischen Regierung

Die Abteilung im Gesundheitsministerium bat uns dringend, ihnen die Kontakte der sogen. Country-Doctors, welche wir viele kennen, weiter zu geben, was wir nun gerne tun.

Auch die Baumaßnahmen am Bong Mines Hospital versetzten uns in Erstaunen:

Wie vor dem Bürgerkrieg beginnt nun tatsächlich die Regierung dort wieder eine Abteilung für Tropenmedizin einzurichten. Sogar Häuser für die Ärzte werden gebaut.

Unbedingt danken möchten wir der deutschen Physiotherapeutin Dorothea Röthenmeier. Sie war eigentlich mit Rudolf Janke mit nach Liberia gekommen, der ein großes Projekt im Lofa-County betreibt. Doch den einen Tag, als sie bei uns in Bong Mines bis zu zehn schwer Behinderten Übungen zur Besserung ihrer gesundheitlichen Situation beibrachte, werden diese nie mehr vergessen!

Krankengymnastische Tipps fürs Leben mit schwerster Behinderung von der Profi-Frau

Im Rahmen dessen konnten wir zweien der behinderten Bürger kostenlos Krücken aus der Hauptstadt besorgen, die sie sonst nie hätten aufbringen können!

Auch sonst übergaben wir eine Vielzahl an Sachspenden, sofern diese in unsere begrenzten Koffer gepasst hatten:

• Laptops für med. Personal, an eine Computerschule und Medizinstudenten

Garmai Browne, unsere Ansprechpartnerin vom Gesundheitsministerium

• Brillen für Kurzsichtige

Cecilia verteilt als sogen. „Senior Nurse“ die gespendeten Brillen

• Etliche Stipendien u. a. Gelder von Einzelpersonen aus D.

Nun kann Yama als Mutter sicher sein, dass Meata die Schule zu Ende schafft

• Kleine praktische Geschenke für die Arbeit unserer med. Helfer in den Clinicen wie Holzsägen, Messer, alte Mobiltelefone, Hosengürtel etc.

Wie wichtig Telefonieren sein kann, wenn´s kein Postsystem mehr gibt

• Stethoskope und and. medizinisches Klein-Equipment

Jedes Instrument kann noch Leben retten, wenn z. B. ein Abszess bedroht

– und sogar die Koffer, in denen all diese Dinge drin waren, 

waren als Aufbewahrung für den Haushalt unserer Mitarbeiter sehr begehrt! Einer meiner leeren Reisekoffer wird als dringend nötiges Möbelstück dienen.

Doch leider gab es nicht nur freudige Momente:

Fatu, unsere leitende Hebamme in Yarbayah, muss10.000.-Liberianische Dollar als Strafe bezahlen! Das ist mit umgerechnet etwa 60.-Euro das halbe Monatsgehalt eines Lehrers!

Sie hatte nämlich die Nabelschnur eines Babys durchtrennt. Trotz intensivstem Ermahnen ging eine Nachbarsfrau aus ihrer Stadt nicht zur Entbindung ins Bong Mines Hospital, sondern gebar in ihrem Haus im Busch. Prompt kam es unmittelbar nach der Geburt zu Blutungen. Es musste ein Motorrad beschafft werden, damit sie notfallmäßig ins Bong Mines Hospital fahren konnte. Der Ambulanzwagen dort hatte auf Anrufe kein Benzin!

Doch für die eineinhalb-stündige Geländefahrt durchtrennte eben Fatu die Nabelschnur. 

Es ist jedoch Strategie der Regierung, ihren Bürgern einen Denkzettel zu verpassen, wenn diese sich weigern, rechtzeitig in ein gutes Krankenhaus zu gehen. So verbat die Regierung unseren Hebammen, den Notfall in unserem neuen Hebammenhaus zu managen mit der Inkaufnahme des Todes der Mutter oder des Kindes!

Nach Verhandlungen gibt es jetzt Zusagen seitens der Familie, Fatu´s Strafe zu übernehmen.

Es ist selbstverständlich, dass es nicht nur gute Nachrichten gibt, wenn 19 Menschen an einem Projekt arbeiten, dass hier unter extremen Bedingungen realisiert werden muss!

Doch wir sind froh, dies nun das 15. Jahr in Folge jeden Monat erneutdurch zu kämpfen.

Sie helfen uns dabei mit Ihrer Spende!

Denn nicht nur die Gesichter unserer Helfer sehen fröhlich aus, sondern mehr noch die Mütter, deren Kinder Sie, liebe Unterstützer in Deutschland, überleben lassen!

Dafür unser allergrößtes DANKE!

Das Team der Mawah-Clinic                                      

Das Team der Yarbayah-Clinic