Tanjung Puting NP

Im Reich der Waldmenschen

Orang-Utan Rehabilitationszentrum im Tanjung Puting Nationalpark

in Zentralkalimantan  –  Borneo

Um es gleich vorweg zu sagen – diese Reise ist traumhaft, aber nichts für schwache Nerven. Nicht die Reise an sich, die verläuft beschaulich, sondern die Anreise nach Kumai, via Banjarmasin.

Das Abenteuer beginnt am Flughafen von Banjarmasin. Hatte ich mich beim Ticketkauf doch bereits nach der Fluggesellschaft erkundigt und über die unbekannte Airline DAS gewundert, so sind wir jetzt doch leicht geschockt.

Vor uns rollt eine 24-sitzige Propeller­maschine, Vorkriegsmodell, auf die Piste und innerlich hoffen wir immer noch, daß dies nicht unsere Maschine ist. Da uns wirklich nichts erspart bleibt, steigen wir über das Gepäck unserer indonesischen Leidensgenossen auf der Suche nach Fenstersitzplätzen. Zum Glück sind die Kinder vorgestürmt und haben die besten Plätze bereits reserviert. Toilette und Notausstieg dienen nur Dekorationszwecken, das Gepäck, Taschen, Kisten und Nylonsäcke sind davor einträchtig aufgetürmt. Die Propeller drehen, sogar beide, und die Klimaanlage funktioniert. Die Beine kann man bequem auf die Kisten legen – was will man mehr?

Nach 1 ½ Flugstunden, mit einem Zwischen­stopp in Sampit, erreichen wir tatsächlich ohne Probleme Pangkalan Bun in Zentral­kali­mantan. Mit unserem Führer Nanang, der uns am Flughafen empfängt, fahren wir im Taxi nach Kumai, dem Ausgangspunkt unserer Bootsreise. Nach Ein­holung der Erlaubnis, kann der Reise nichts mehr im Wege stehen. Lebensmittel werden aufs Boot verladen und Koch und Mannschaft begrüßen uns herzlich. Das Klotok, wie die Holzboote genannte werden, dient die nächsten drei Tage als Hausboot. Bequeme Matten erlauben ein ent­spanntes Verweilen an Deck. Waren wir der Meinung, die fast einzigen Besucher des National­parks zu sein, so stellten wir schnell fest, daß dies weit gefehlt war. Gegenüber der Bootsanlegestelle liegen eine Reihe von Segelyachten vor Anker. Die Besitzer lernen wir während der nächsten Tage kennen, Weltenbummler aller Nationalitäten, Ameri­kaner, Neuseeländer und Australier, die hier auf ihrer Reise um die Welt, einen Zwischenstopp einlegen. Ein Amerikaner erzählt uns, daß er bereits seit 13 Jahren unterwegs ist. Was machen wir nur falsch in unserem Leben?

Zunächst verläuft die Strecke über  den Kumaifluß stromabwärts, dann über den Sungai Senkonyer, der die Grenze zum Nationalparks bildet. Nach etwa 1 ½ Stunden erreichen wir Tanjung Harapan, die erste Rangerstation. Fünf Minuten flußaufwärts liegt die Rimba Lodge, unser Quartier für die nächsten drei Tage. Einfache Holzbungalows mit sauberen Betten erwarten uns. Über einen Steg erreichbar, liegt vor unserer Terrasse der Fluß. Kaum breiten wir uns aus, sind wir bereits von einer Affenbande, von Crab-eating macaque (Macaca fascicularis), umringt.

Zur Fütterungszeit kehren wir am Nach­mittag nach Tanjung Harapan zurück. Drei kleine Orang Utans und eine Mutter mit Baby sind hier zu Hause. Dies ist der erste Schritt zur Rehabilitation von konfiszierten Orang Utans. Hier werden die Babys langsam auf ein Leben in der Wildnis vorbereitet. Verfügen sie bereits über gewisse Kenntnisse, wie Nestbau, werden sie ins zweite Camp „Pondok Tanggui“ übersiedelt. Hier leben die Orang Utans bereits in der Wildnis, und es ist ihnen freigestellt, ob sie zur Fütterung zurückkehren wollen oder nicht.

In Tanjung Harapan lebt neben den Orang Utans auch ein kleiner Gibbonaffe, names Michael, sehr zur Freude unserer Kinder. Dieser drollige Affe hüpft herum, spielt mit den Kindern und möchte getragen werden. Unablässig legt er sich mit den kleinen Orang Utan Babys an und klaut ihnen ihr Fressen. Die Orang Utans sollte man nicht anfassen, damit sie sich nicht zu sehr an die Menschen gewöhnen.

Am nächsten Morgen brechen wir auf zum Camp Leakey. Dieses Camp wurde 1971 als Forschungsstation von Dr. Biruté Galdikas errichtet. Louis Leakey, einer der wichtigsten amerikanischen Anthropologen, befaßte sich in den Sechziger Jahren mit der Erforschung des Urmenschen. Er sah in den Menschenaffen noch lebende Zeugen dieser Urmenschen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes entsandte er drei junge Wissenschaftlerinnen, zur Erforschung dieser Lebewesen. Als erste machte sich die Britin Jane Goodall nach Tansania auf den Weg, zur Erforschung der Schimpansen. Kurz darauf folgte Dian Fossey zu den Berggorillas nach Ruanda und als letztes übernahm die gebürtige Kanadierin und Wahlamerikanerin, Biruté Galdikas, die Aufgabe die scheuen Orang Utans in Borneo zu erforschen 

Mit ihrem Mann und Fotograf Rod Brindamour begann Biruté, im Rahmen der Feldforschung für ihre Doktorarbeit, die Errichtung von Camp Leakey. Prof. Leakey war eine Menschenkenner und wußte, warum er für diese schwierige Aufgabe junge Frauen auswählte. Die Frauen zählten die Affen nicht nur durch, sondern begannen ihr Leben mit ihnen zu teilen. Keine der drei Frauen kehrte in ihr früheres Leben zurück. Jane lebt noch heute in Tansania, Dian wurde 1985 auf ungeklärte Weise in Ruanda ermordet und Biruté lebt nach 28 Jahren immer noch in Kalimantan. Nach sieben Jahren Wildnis, verließ Ehe­mann Rod mit Sohn Binti das Land. Keinen Moment zögerte sie mitzugehen, sie wußte, daß ihr Platz bei den Orang Utans war.

Leider hatten wir das Pech, wie bereits 1984 in Ruanda bei den Berggorillas, Dian Fossey, Dr. Galdikas nicht vorzufinden. Sie verbringt einen Teil des Jahres in Kalifornien mit Lehraufträgen und sammelt Geld für ihre Orang Utan Foundation. Binti, ihr Sohn aus erster Ehe, war in der Rimba Lodge zu Gast, um seine Freundin zu besuchen. Anscheinend fühlt er sich auch zu den Waldmenschen hingezogen, sein Äußeres ließ zumindest darauf schließen.

Von der Rima Lodge tuckern wir 2 ½ Stunden gemütlich flußaufwärts. Wir haben das Glück im braunen Wasser ein Krokodil zu entdecken. In den Baumwipfeln über uns turnen Affen. In waghalsigen Sprüngen gelangen sie in Schwindel erregender Höhe von Baum zu Baum, ganz besondere Akrobaten sind die Langnasenaffen (Nasalis larvatus), die nur in den Wäldern von Borneo beheimatet sind. Eine lange Nase hat eigentlich nur der König der Horde.

Über uns entdecken wir Hornbills, ein blauer Kingfisher fliegt vor uns weg, sowie weitere bunte Vögel und Schmetterlinge. Nach etwa 1 ½ Stunden verlassen wir den Senkonyer Fluß und biegen in einen Seitenfluß ab. Schlagartig ändert sich die Farbe des Wassers. Plötzlich sind wir in klarem, rot gefärbtem, äußerst saurem Wasser.

In Camp Leakey angekommen, begrüßen uns bereits die Orang Utans. Jeder Affe hat einen Namen, auf dessen Ruf sie reagieren. Inzwischen ist das Camp nicht mehr eine reine Forschungs­station, sondern ebenfalls ein Rehabilitations­zentrum. Dr. Galdikas vertritt die Ansicht, daß es den Affen freigestellt sein soll, ob sie die freie Wildbahn den Bequemlichkeiten des Camps vorziehen. Die Affen werden zweimal am Tag an einer Stelle mitten im Wald gefüttert. Vor allem die jüngeren Affen kommen gerne zur Fütterung zurück. Bei einer Wanderung durch den Busch, begegnen wir einer Affenmutter mit Baby. Im Gegensatz zu den Rangerstationen hat hier niemand etwas dagegen, die Affen anzufassen. Die Affen kommen freiwillig zu uns, möchten wie Kinder an der Hand geführt oder getragen werden. Die Entwicklung von Mensch und Orang Utan hat sich vor etwa zehn Millionen Jahren getrennt, aber 98% unserer Gene stimmen überein. So ist es nicht verwunderlich, daß viele Verhaltensmuster von Mensch und Orang Utan sehr ähnlich sind.

Nach dem Mittagessen auf dem Boot sprin­gen wir in das klare, rote Wasser des Flusses und erfrischen uns. Gemächlich tuckern wir mit unse­rem Klotok zurück zur Rimba Lodge und freuen uns über die Langnasenaffen entlang des Flusses.

Am nächsten Tag besuchen wir das zweite Camp der Rehabilitation. Hier erscheinen noch ca. 14 Affen zur Fütterung. Am Nachmittag haben wir das Glück, Kosasi, den männlichen Herrscher des Gebietes kennen­zulernen. Zunächst sitzt er träge auf dem Baum und hat keine Lust sich herabzulassen. Erst eine Packung Indomie verlockt zum Abstieg. Ihm woll­te ich nicht alleine im Busch begegnen, der Herr ist mit seiner Größe schon beeindruckend. Die Ranger warnen auch, ihm zu nahe zu kommen, aber Kosasi ist heute friedlich und begleitet uns zurück zum Boot. Auf dem Rückweg sagen wir Michael im Camp Harapan noch Ade und verlassen den Nationalpark in Richtung Kumai. Am Abend beziehen wir unsere Zimmer im Blue Kecebung Hotel in Pankalan Bun. Wider Erwarten sind es recht anständige Zimmer mit AC, Fernseh und Minibar. Auch der Ort selbst macht einen sehr ordentlichen Eindruck mit ge­pfleg­ten Häusern und Straßen. Am Abend gibt es Live Musik im Restaurant und neben indonesischer und chinesischer Küche auch ein schmackhaftes Pfef­fersteak, und vor Müdigkeit verpassen wir das beliebte Karaoke. Nach dem Frühstück vertrauen wir wieder unser Leben der Airline DAS an und landen wohlbehalten in Banjarmasin.

Nach Auskunft unseres Führers ist es besser von Jakarta aus via Semerang nach Pangkalan Bun zu fliegen oder mit dem Boot überzusetzen.

Christa Stuber