TANA TORAJA: Im Mittelpunkt des Lebens steht der Tod
„TONDOK LEPONGAN BULAN TANA MATARK ALLO“ – Soweit wie Sonne und Mond scheinen, reicht das Land der Toraja.
Mitten im Zentrum von Sulawesi, einer Hauptinsel des indonesischen Reiches, lebt ein faszinierendes Volk – die Torajas. Die Vorfahren dieser außergewöhnlichen ethnischen Volksgruppe erreichten vor rund 4000 Jahren Tana Toraja – das Land der Torajas. Sie kamen vermutlich mit Schiffen aus dem indochinesischen Raum und gehören, wie die Bataks auf Sumatra und die Dayaks auf Kalimantan, zur Volksgruppe der Protomalaien.
Eine unzugängliche Gebirgslandschaft förderte lange Zeit die Isolierung der Torajas. Zwar versuchten die Bugis, die islamischen Küstenbewohner Südsulawesis, im 16. Jahrhundert das Torajaland zu erobern, wurden aber bald wieder vertrieben. Selbst den Holländer gelang die Eingliederung des Torajalandes in ihr Kolonialreich erst im Jahre 1906.
Von der Provinzhauptstadt Ujung Pandang, heute wieder in den alten Namen Makkassar umbenannt, gelangen Besucher durch Bugis-Dörfer in die Gebirgslandschaft Mittelsulawesis. Die Bugis, ein altes Seefahrervolk meist moslemischen Glaubens, lebt auch heute noch in einer traditionellen Dreiklassengesellschaft. Bereits die Häuser lassen die Klassenzugehörigkeit ihrer Bewohner erkennen. Häuser mit einem oder zwei Querdächern im Hausgiebel weisen auf Bewohner der Mittelschicht hin, während Besitzer von Häusern mit drei bis fünf Querstreben der Oberschicht angehören. Das gemeine Volk bewohnt Häuser ohne Abstufungen in der Hausfront.
Auf der Fahrt über Pare Pare erreichen Reisende nach rund sieben Stunden Autofahrt auf abwechslungsreicher Strecke, Rantepao, den Hauptort von Tana Toraja. Eingebettet in eine atemberaubende Gebirgslandschaft, von schroffen Felshängen, grünen Reisfeldern und klaren Gebirgsbächen umgeben, liegt das malerische Kleinod des tropischen Inselreiches.
Durch die Abgeschiedenheit konnte sich hier eine eigenständige Kultur entwickeln, die bis heute erhalten blieb. Die Mehrheit der Bevölkerung ist christlich, vorwiegend protestantisch, aber das Christentum bildet nur eine dünne Decke über dem Jahrtausende alten, von Animismus geprägten Glauben. Dies zeigen besonders die traditionellen Totenfeste, die meist nach der Reisernte stattfinden. Gäste sind stets willkommen, da deren Anwesenheit das Ansehen der Toten aufwertet.
Für die Toraja ist das Leben auf der Erde nur ein Übergangsstadium und wichtig ist allein das Leben nach dem Tode. Sie müssen sich auf eine lange beschwerliche Reise nach Paya begeben. Dies ist ein ferner Ort hinterm südlichen Horizont, der nur erreicht werden kann, wenn die Hinterbliebenen die vorgeschriebenen Totenrituale ausführen. Von Paya aus können die Toten den heiligen Berg Bambapuang ersteigen und damit ins Reich der Oberwelt eingehen. Da der Weg durch sieben Täler und über sieben Berge führt, ist er sehr beschwerlich und nur mit Hilfe von Büffeln zu erreichen. Damit nimmt der Büffel eine zentrale Rolle im Leben und Sterben der Torajas ein. Je mehr Büffel geopfert werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, in die Oberwelt einzugehen.
Bei großen Trauerfeiern werden bis zu hundert Büffel und mehr geschlachtet. Die mehrtägigen Feierlichkeiten beginnen erst, wenn die Finanzierung gesichert ist und alle Verwandten anwesend sind. Dies kann Jahre dauern und bis zum Zeitpunkt der Bestattung gelten die Verstorbenen nicht als tot, sondern nur als krank. Eine Hauptrolle bei den Trauerzeremonien spielen die schwarzgefleckten, rosa Albino-Büffel, die nur im Torajaland zu finden sind. Prachtexemplare kosten ein Vermögen, ihr Fleisch wird nicht gegessen – sie gelten als heilig. Schwarze Büffel kosten zwar nur die Hälfte, aber immerhin noch ein- bis zweitausend Euro pro Stück. Allerdings verteilt die Familie das Fleisch nach einer bestimmten Rangordnung unter den Trauergästen.
Das traditionelle Toraja-Haus, der Tongkonan, dessen Form einem Schiffsrumpf gleicht, weist auf eine Einwanderung der Vorfahren übers Meer hin. Alle Häuser weisen nach Norden, in das Land der Ahnen Die imposanten Häuser bauen die Torajas auch heute noch aus Holz – ohne die Verwendung von Nägeln. Das geschwungene Dach in Form eines Büffelhornes besteht aus Bambushölzern. Kunstvolle Schnitzereien in den Farben Schwarz, Weiß, Rot und Gelb schmücken die Hausfront, und jede Verzierung hat ihre eigene religiöse Bedeutung. Die Anzahl der Büffelhörner am Eingang weist auf den sozialen Stand des Eigentümers hin.
Wie die Bugis, leben auch die Torajas in einer Dreiklassengesellschaft. Torajahäuser dürfen nur von der Mittel- oder Oberschicht errichtet werden. Das einfache Volk wohnt in Hütten oder herkömmlichen Häusern. Diese Klassengesellschaft wird vererbt und ist nicht änderbar. Die Grundstücke befinden sich in Familienbesitz, nur die Großfamilie in ihrer Gesamtheit entscheidet über das Land. So ist es für Fremde fast unmöglich Land zu erwerben, mit der Folge, dass sich die meisten Hotels in Familienbesitz befinden.
Der Totenkult ist im Torajaland allgegenwärtig. Überall finden die Besucher Grabstätten unterschiedlicher Art. Eine Besonderheit bilden die Felsgräber mit den Tao Tao Puppen. Nur die Oberschicht darf diese bekleideten Holzfiguren aufstellen, die ein Abbild des Toten darstellen. Bei Totenfeierlichkeiten werden die Figuren neu eingekleidet. Leider wurden schon viele alte Figuren von Grabschändern entwendet. Zahlreichen Tao Tao Puppen finden sich noch bei den Königsgräbern von Suaya bei Sangalla.
Kleinkinder ohne Zähne bestatten die Torajas in einem Baum bei Kambira. Sie glauben, dass die Kinder zusammen mit dem Baum die Oberwelt erreichen.
Eine weitere Form der Bestattung stellen die Gräber in Londa dar. Hier liegen die Toten in Särgen entweder in einer Höhle oder sind am Felshang aufgehängt Die Tropfsteinhöhlen können Besucher mit einem Führer oder in eigener Regie mit einer Taschenlampe betreten. Die Torajas besuchen diese Stätte allerdings nur zu Feierlichkeiten.
Das Torajaland bietet sich auch für einen längeren Aufenthalt an. Die Hotels vermieten Fahrrädern für die Besichtigung der zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Bei Wanderungen lernen Besucher den berühmten und teuren Toraja-Kaffee, sowie Gewürze wie Vanille, Zimt und Nelken kennen. Mehrtägige geführte Trekking-Touren erlauben Abenteuerlustigen einen Einblick in die Unberührtheit der weniger erschlossenen Gebiete im Landesinnern.
Christa Stuber